An der Grenze der Nation. Deutsch-tschechische Kinder in der Nachkriegstschechoslowakei, 1945-1960.

Michal KORHEĽ

Doctoral thesis

On the Nation's Border: Czech-German Children in Post-WWII Czechoslovakia, 1945-1960

Abstract:

The children born from Czech-German relationships, like their parents, belonged to the multinational society of Czechoslovakia - a state that emerged after the collapse of the Habsburg monarchy. Because they often did not have a clear national identity and thus could feel as though they belonged to both nationalities as well as to neither, with the rise of nationalism and the pursuit of national clarity both Czech and German national activists focused on these children and their families in the interwar period. After the end of the Second World War, Czechoslovakia was supposed to become a nationally homogeneous state of Czechs and Slovaks. In this context, the Czech-German children posed a challenge to Czechoslovak politicians and authorities. In the course of the expulsion and forced resettlement of the German-speaking population from post-war Czechoslovakia, an abstract border was to be drawn between the Germans and the Czechs - between those who were to become part of post-war Czechoslovak society and those who had to leave the country. This thesis explores the role of Czech-German families and especially their children in this process. In doing so it examines the imaginary border that determined whether the population of post-war Czechoslovakia belonged to the German or Czech nation. Where did this border run and who had the (symbolic) power in post-war Czechoslovakia to determine and/or change it? What lead to its changes? In addition, this thesis focuses on the individual. Accordingly, it also explores how changes to the imaginary border affected individuals and their national identity. These questions are examined using the example of Czech-German children, their experiences and the state policy towards these children. There were several actors in post-war Czechoslovakia, who could shape the abstract border between the two nations and at the same time were also involved in the topic of Czech-German children. The selection of sources is based on these actors. The part of the thesis that is devoted to the policy of the Czechoslovak state towards German-Czech children and the implementation of this policy is based on a critical analysis of archival documents from relevant state institutions, the Communist Party of Czechoslovakia and international relief organizations. In order to examine the actor status of the children and the effects of their post-war experiences on their national self-identification, the analysis of this thesis takes into account oral history interviews with German-Czech children. Many of the German-Czech children whose post-war situation is examined in this thesis lived under several political systems and ideologies during their childhood. Thus, this paper provides insight into the experiences of these children with child policies of three successive political systems - the NS regime, the Third Czechoslovak Republic with democratic and authoritarian features, and the state socialism.

Abstract:

Die Kinder, die aus deutsch-tschechischen Beziehungen geboren worden waren, gehörten genauso wie ihre Eltern zu der multinationalen Gesellschaft der Tschechoslowakei - eines Staates, der nach dem Zerfall der Habsburgischen Monarchie entstand. Mit dem aufkommenden Nationalismus und Streben nach nationaler Eindeutigkeit gerieten diese Kinder und ihre Familien in der Zwischenkriegszeit in den Fokus sowohl deutscher als auch tschechischer nationaler Aktivisten, weil sie oft keine eindeutige nationale Identität ausgeprägt hatten und sich somit beiden Nationalitäten genauso wie keiner zugehörig fühlen konnten. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges sollte die Tschechoslowakei zum national homogenen Staat von Tschechen und Slowaken werden. Die deutsch-tschechischen Kinder stellten in diesem Kontext für die tschechoslowakischen Politiker und Behörden eine Herausforderung dar. Im Zuge der Vertreibung und Zwangsaussiedlung der deutschsprachigen Bevölkerung aus der Nachkriegstschechoslowakei sollte eine Grenze zwischen den Deutschen und Tschechen, zwischen denen, die zum Teil der tschechoslowakischen Nachkriegsgesellschaft werden sollten, und denen, die das Land verlassen mussten, gezogen werden. Die vorliegende Arbeit erforscht die Rolle der deutsch-tschechischen Familien und vor allem ihrer Kinder in diesem Prozess. Dadurch wird die imaginäre Grenze, die über die Zugehörigkeit der Bevölkerung der Nachkriegstschechoslowakei zur deutschen oder tschechischen Nation entschied, untersucht. Wo verlief diese Grenze und wer hatte die (symbolische) Macht in der Nachkriegstschechoslowakei, sie zu bestimmen und zu ändern? Wovon wurden ihre Änderungen beeinflusst? Darüber hinaus steht der Mensch als Individuum im Fokus der Analyse der vorliegenden Arbeit. Dementsprechend setzt sich die Arbeit ebenfalls mit den Auswirkungen der Änderungen der imaginären Grenze auf die einzelnen Personen sowie ihre nationale Identität aus. Diese Fragen werden am Beispiel der deutsch-tschechischen Kinder, ihrer Erfahrungen sowie der staatlichen Politik gegenüber diesen Kindern untersucht. An der Problematik der deutsch-tschechischen Kinder waren mehrere Akteure beteiligt, welche ebenfalls einen Einfluss auf die Gestaltung der imaginären Grenze zwischen der deutschen und tschechischen Nation in der Nachkriegstschechoslowakei ausüben konnten. An diesen Akteuren orientiert sich die Quellenauswahl. Der Teil der Arbeit, der sich der Politik des tschechoslowakischen Staates gegenüber den deutsch-tschechischen Kindern sowie der Umsetzung dieser Politik widmet, beruht auf kritischer Analyse von Archivdokumenten relevanter staatlicher Institutionen, der Kommunistischen Partei der Tschechoslowakei sowie internationaler Hilfsorganisationen. Um den Akteursstatus der Kinder sowie die Auswirkungen ihrer Nachkriegserfahrungen auf ihre nationale Selbstidentifizierung zu untersuchen, werden in der Analyse der vorliegenden Arbeit Oral History Interviews mit deutsch-tschechischen Kindern berücksichtigt. Viele der deutsch-tschechischen Kinder, deren Nachkriegssituation in dieser Arbeit untersucht wird, lebten während ihrer Kindheit unter mehreren politischen Systemen und Weltanschauungen. Somit bietet die vorliegende Arbeit einen Einblick in die Erfahrungen dieser Kinder mit Kinderpolitiken von drei nacheinander folgenden politischen Systemen - des NS-Regimes, der dritten Tschechoslowakischen Republik mit demokratischen und autoritären Merkmalen, sowie des Staatssozialismus.

Keywords

deutsch-tschechische Kinder, Nationalismus, nationale Identität, Geschichte der Tschechoslowakei, Kindheitsgeschichte, Kinderpolitik, Repatriierung, anti-deutsche Gewalt, oral history

Language used: German

Date on which the thesis was submitted / produced: 5. 9. 2024

Accessible from:: 31. 12. 2999

Thesis defence

• Supervisor: doc. Mgr. Martin Veselý, Ph.D.

JAN EVANGELISTA PURKYNĚ UNIVERSITY IN ÚSTÍ NAD LABEM

Faculty of Arts

Doctoral programme / field:
Historical Sciences / Czech history